Wie Macht die Menschen verändert

Neulich führte ich ein Gespräch zum Thema ‘Macht’. Wir fragten uns wie es uns verändern würde, wenn nun einer von uns sehr mächtig wäre. Ich hatte mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie mit dieser Frage beschäftigt, aber dadurch stellte ich mir im Verlauf der nächsten Tage Fragen über Fragen.

  • Was bedeutet Macht eigentlich?
  • Wiso klingt Macht so negativ?
  • Verändert Macht die Menschen zwingend negativ?
  • Ab wann verändert Macht das Verhalten in negativer Weise?
  • Wer kommt zu Macht (und sollte sich diese Fragen besser selbst stellen)?
Bild: Pixaby.com

Was bedeutet Macht eigentlich?

Lassen Sie uns das gleich zu Beginn klären, damit wir alle vom gleichen sprechen. Macht ist nicht gleich Status, denn mit Macht kann man seinen Willen auch ohne Status durchsetzen.

Der deutsche Duden definiert Macht als «Gesamtheit der Mittel und Kräfte, die jemandem oder
einer Sache andern gegenüber zur Verfügung stehen; oder auch: Einfluss».

Wobei es wichtig ist zu verstehen, dass ein Machtverhältnis in verschiedenen Kontexten entstehen kann.

Wiso klingt Macht so negativ?

Es gibt viele Beispiele wieso wir das Wort ‘Macht’ häufig schon seit klein auf negativ assoziieren. Es sind nicht nur die Bösewichte und völlig übertriebenen Cartoon-Schurken (Dr.Drakken in Kim Possible) und Ganoven, die offensichtlich die Weltherrschaft an sich reissen wollen oder die ‘’Menschheit’’ ausrotten. (Gargamel aus ‘die Schlümpfe’). Hollywood Filme deren Handlung auf dem durchdrehen ‘machtbesessener Böser’ basiert…. Sie verstehen worauf ich hinaus will.

Dr.Drakken

Auch in der Literatur finden wir die Negative der Macht. J.R.R. Tolkien beschreibt in seinem Roman „Der Herr der Ringe“ die negativen Auswirkungen des Ringes der Macht, die dem eigentlich fröhlichen und aufgestellten Protagonisten Frodo wiederfahren. Mit dem Besitz des Ringes verändern sich Frodos Gedanken, seine Gefühle, sein Charakter und auch seine Ziele. Wobei interessant ist, dass er selbst seine Wesensveränderung nicht wahrnimmt. Nur mit der Hilfe seiner Freunde und anderer Wesen konnte Frodo der Macht widerstehen.

Ring der Macht aus „Herr der Ringe“

Verändert Macht die Menschen zwingend negativ?

Es gibt einige Studien die negative Verhaltensveränderungen bei zunehmender Macht bestätigen.

Das Stanford-Gefängnis-Experiment mit Freiwilligen im Jahr 1971 der Psychologischen Fakultät der Universität in Kalifornien endete bekanntlich (mehrere Verfilmungen, auch Deutschsprachig: Das Experiment (2001)) in einem Desaster, denn die ausgesuchten und auf geistige Durchschnittlichkeit und Gesundheit getesteten Teilnehmer verwandelten sich bis auf wenige Ausnahmen in machtbesessene Wärter und unterwürfige, sich erniedrigende Gefangene (Encyclopaedia Britannica, 2017).

Stanford Prison Experiment – Ein Wärter beaufsichtigt einen Gefangenen während des Stanford Gefängnis Experiments im Jahr 1971. derbund.ch

Ein Experiment der Universität Oxford 2012. Von Riam Kanso vom Brain & Cognition Laboratory, konnte aufzeigen: Macht untergräbt die ausbalancierte Zusammenarbeit mit den Untergebenen. Die Macht nimmt schleichend Besitz von den Mächtigen. Irgendwann wird die mit der steigenden Macht einhergehende Verhaltensänderung jedoch deutlicher, zeigt sich beispielsweise in Willkür, Unterdrückung, Gewalt, Erniedrigung. Zahlreiche Studien belegen das, so u.a.

Ergab eine frühere Studie des Psychologen Adam Galinsky :

Macht reduziert die Fähigkeit zur Empathie, die Fähigkeit, sich in andere Menschen und ihre Perspektiven hineinversetzen zu können.

Nathanael Fast von der University of Southern California hat festgestellt:

Man kann nicht davon ausgehen, dass die negativen Aspekte nur bei bereits auffallenden oder schwachen Persönlichkeiten vorzufinden sind. Die Studie zeigt, dass selbst Menschen mit normalen Persönlichkeitsmerkmalen bei Anstieg ihrer Machtkompetenz zu negativen Veränderungen in ihrem Verhalten neigten. So scheint es, dass ein Zuwachs von Macht das Gehirn aus dem Gleichgewicht bringt. Mächtige, die sich ihrer Macht sehr bewusst waren und sich gleichzeitig kompetent fühlten, neigten auffallend oft zu übertriebenen selbstsicheren Entscheidungen – selbst dann, wenn diese falsch und mit finanziellen Einbußen verbunden waren.

Allerdings gibt es auch Studien die positive Verhaltensveränderungen bei zunehmender Macht belegen.

Wie Professor Yuri Miyamoto an der Universität von Wisconsin–Madison und sein Kollege Li-Jun Ji von der Queen’s Universität in Kingston, Kanada, herausgefunden haben, hat Macht noch einen anderen unmittelbaren Effekt – und zwar auf unser Gehirn: Wer sich mächtig fühlt (oder es ist), verbessert automatisch seine Fähigkeit, analytisch zu denken. Dazu nehmen mit einem Ansteigen von Macht strategisches und abstraktes Denken zu.

Ian Robertson, Neurowissenschaftler und Klinischer Psychologe am Trinity College in Dublin, hat erforscht, wie Macht die Hirnbiologie verändert.

Beispielsweise erhöht Macht den Testosteronspiegel, was zu einer vermehrten Aufnahme des Neurotransmitters Dopamin führt, das u.a. das Belohnungszentrum aktiviert. Als Folge steigen die Laune, die Innovationskraft, der Mut, aber auch die Selbstbezogenheit und andere nicht immer nur vorteilhafte Persönlichkeitsaspekte.

Die Motivation und die allgemeine Stimmung erhöhen sich und die Angst reduziert sich. Macht hat damit eine antidepressive Wirkung auf die Mächtigen. Zusammenfassend kann zu den positiven Seiten der Macht gesagt werden: Macht aktiviert ähnliche Hirnareale wie Drogen und Sex.

Ab wann verändert Macht das Verhalten in negativer Weise?

Im Zusammenhang mit den Wirkungsweisen der Macht stellt sich natürlich auch die Frage, wie schnell sich das Funktionieren des Gehirns durch Macht verändert. Robertson stellte dabei fest, dass selbst eine kleine Machtfülle schon ausreicht, um einen Rückgang der Empathie auszulösen. Abgesehen davon, ist der positive Aspekt der Macht – eine erhöhte Dopaminausschüttung und der damit einhergehende Motivations-, Innovations- und Mutanstieg – eben nicht nur positiv zu sehen, sondern kann suchtartiges Verhalten hervorrufen.

Was ist Dopamin auf http://www.royalqueenseeds.de

Die Suchtqualität der Macht und ihre verzerrende Wirkung auf den menschlichen Geist haben in der Menschheitsgeschichte hunderten Millionen Menschen das Leben gekostet.

Das Ikarus-Paradoxon

Auch Ikarus wurden seine Flügel aus Wachs – gedacht als einfallsreiche Fluchthelfer – letztlich zum Verhängnis. Erfolg und Niederlage liegen oft nahe beieinander, und nicht selten treiben uns unsere eigene Arroganz und Selbstüberschätzung in die Katastrophe. Immer weiter empor wollen wir steigen, im Vertrauen auf die eigene Unfehlbarkeit, dass wir nicht merken, wie unsere Flügel in der heissen Sonne zu schmelzen beginnen, bis es zu spät ist. Gepackt von einer Art Übermut haben wir eine unsichtbare Grenze überquert, hinter der eine geordnete Rückkehr in weniger luftige Höhen nicht mehr möglich ist (Mai, 2019).

Je mehr Erfahrung man auf einem Gebiet hat, desto grösser ist die Gefahr, dass man zu sehr von der eigenen Meinung überzeugt ist und daher die Vorschläge anderer nicht mit der nötigen Sorgfalt bewertet. Diese Gefahr ist umso grösser, je geringer die Erfahrung der Person ist, die einen Vorschlag macht (Vermeulen, 2009).

Im Bezug auf die Erzählung von Ikarus in der Griechischen Mythologie.

Wer kommt zu Macht (und sollte sich diese Fragen besser selbst stellen)?

Nach Hoog (2005) stehen Führungspersonen im direkten Bezug zu Macht. Führungspersonen haben innerhalb der Gruppe eine wichtige Funktion. Sie können die Gruppe zu gewünschten Zielen hinführen, oder aber aus Problemsituationen herausführen. Dabei heben sie sich nach Hogg (2005) in verschiedener Hinsicht von ihren Gruppenmitgliedern ab und erscheinen u.a. einflussreicher, charismatischer und sozial attraktiver.

In der Psychologie wird dieses Phänomen als „Paradoxon der Macht“ bezeichnet, denn gewöhnlich erhält niemand Macht, weil er unfreundlich, despotisch und rücksichtslos ist, sondern meist sind es Menschen, die beliebt sind. Doch anstatt hilfsbereit, ehrlich und offen zu bleiben, werden sie nach dem Aufstieg in eine Machtposition allmählich herrisch und unzugänglich, sachliche Kritik wird nicht mehr als konstruktiv empfunden, sondern als Versuch einer Demontage der Machtposition (Mai, 2020).

Allerdings kommen Menschen ohne ein gewisses Machtstreben selten in leitende Positionen, denn Kompetenz allein reicht in der Regel nicht aus, sondern sie muss auch von anderen wahrgenommen werden. Grundsätzlich ist das Streben nach Macht etwas zutiefst Menschliches, denn Macht bedeutet immer auch ein wenig Freiheit und hilft einem dabei, wenn man Ziele verwirklichen will, die über die eigene Kraft hinausreichen (Stangl, 2020).

Diese Macht kann also positiv wie auch negativ eingesetzt werden. Obwohl Führungspersonen dafür verantwortlich sind, das Wohlergehen der Gruppe zu fördern, kann die Vergrößerung der eigenen Macht und Dominanz zu einem starken Motivator werden (Hogg, 2005).

Dacher Keltner, Psychologe an der University of California in Berkeley, sagt: Wir alle sind Opfer des Macht-Paradoxes. Niemand ist davon verschont. Es kann selbst jene treffen, die ursprünglich mit bestem Wissen und Gewissen ihre Machtposition nutzen wollten.

Bild: Pixaby.com

Verwendete Literatur

Encyclopaedia Britannica, 2017. [Online]
Available at: https://www.britannica.com/event/Stanford-Prison-Experiment
[Zugriff am 04 2020].

Galinsky, A. D., Magee, J. C., Inesi, M. E., & Gruenfeld, D. H. (2006). Power and Perspectives Not Taken. Psychological Science17(12), 1068–1074. https://doi.org/10.1111/j.1467-9280.2006.01824.x

Mai, J., 2019. Ikarus-Effekt: Erfolg macht besoffen. [Online]
Available at: https://karrierebibel.de/ikarus-effekt/
[Zugriff am 04 2020].

Mai, J., 2020. Das Paradoxon der Macht. [Online]
Available at: https://karrierebibel.de/macht-paradoxon/
[Zugriff am April 2020].

Riam Kanso, M. H. E. H. M. W. A. C. N., 2014. Power corrupts co-operation: cognitive and motivational effects in a double EEG paradigm. Social Cognitive and Affective Neuroscience, February, Volume 9(Issue 2), p. 218–224.

Stangl, W. (2020). Stichwort: ‚Paradoxon der Macht‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
WWW: https://lexikon.stangl.eu/2521/paradoxon-der-macht/ (2020-04-27)

Vermeulen, F., 2009. Businesses and the Icarus Paradox- Harvard Business Review. [Online]
Available at: https://hbr.org/2009/03/businesses-and-the-icarus-para
[Zugriff am 04 2020].

5 Kommentare zu „Wie Macht die Menschen verändert

    1. Liebe Überläuferin.

      Da stimme ich dir zu. Ich habe mich entschieden auf den Machtmisbrauch nicht weiter einzugehen, denn dass hätte meinen zeitlichen Rahmen gesprenngt.
      Dein Beitrag zum Thema ist sehr interessant. Ich habe gelesen, dass das Institut für Politikwissenschaften der Uni Bern aufzeigt: die höchste Zufriedenheit der Bevölkerung in machtteilenden Demokratien festgestellt.
      https://www.unibe.ch/aktuell/medien/media_relations/medienmitteilungen/2020/medienmitteilungen_2020/geteilte_macht_zufriedeneres_volk/index_ger.html

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      1. Vielen Dank. Ich werde bei Gelegenheit mal deinen Literaturhinweis lesen. Die Zufriedenheit nimmt auch zu, wenn die Gesellschaften nicht so ungleich sind.

        https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/richard-wilkinson-und-kate-pickett-gleichheit-ist-glueck-es-schwankt-das-fundament-des-gluecks-1943073.html

        Das Buc dazu habe ich auch gelesen, wobei ich es störend fand, dass bei den zahlreichen Abbildungen keine Skalen iengezichnet waren. Man konmnte immer einen schönen linearen Zusammenhang mit zunehmender Ungleichheit sehen und as das für Auswirkungen hatte, aber ohne Skala kam mirdassopseudowissenschaftlich vor.

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      2. Danke für den Buch-Tip.

        Wie im Link von der Uni Bern sagt auch Wolfgang Kertsting (von faz.net), dass die Zufriedenheit, welche auch auf Glück zurück zu führen ist, Auswirkungen auf die Legitimität der Strukturen und Systeme des Staates aufweist.

        Ich kann gut nachvollziehen, dass Sie die Skalen im Buch vermisst haben. Leider ist es heute teilweise sehr schwierig gute wissenschaftliche und zugleich neutrale Quellen zu finden.

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